Sie sind Giesserei-Ingenieur und haben eine 30-jährige Erfahrung in der Giessereibranche. Was sind die grössten Veränderungen in dieser Zeit?
Eine interessante Frage, die oft gestellt wird aber nicht mit einem Wort zu beantworten ist. Zweifellos sind es der Automatisierungsgrad und hier in erster Linie der Robotereinsatz, der mittlerweile aus den Gießereien nicht mehr wegzudenken ist. Auch neue anorganische Bindersysteme für Formen und Kerne sind als Beitrag zur Emissionssenkung alternativlos.
Als energieintensiver Wirtschaftszweig kommt den Giessereien in Hinblick auf umweltfreundliche Produktionsverfahren eine bedeutende Rolle zu. Hier hat in den letzten Jahren grosses Umdenken eingesetzt und erste Giessereien sind auf dem Weg immer mehr energieneutrale Produktionsprozesse zu entwickeln. Hier spielen vor allem die Leichtmetall-Giessereien eine grosse Rolle.
Ein eher negativer Aspekt ist der immer deutlich werdende Fachkräftemangel. Hier stehen vor allem Universitäten, Hoch- und Fachschulen in der Pflicht.
Welche Rolle spielt die Trockeneisstrahltechnologie in der Giesserei Branche?
Bei diesem innovativen Verfahren muss man nicht nur den umweltfreundlichen Aspekt unbedingt betonen, sondern auch das Ergebnis des Strahlprozesses. So schnell sauber bekommt man beispielsweise einen Kernkasten mit keinem anderen Reinigungsprozess. Ausserdem schont diese Art der Reinigung die Kokillen, die Formen oder die Kernkästen.
Wie beurteilen Sie die Trockeneisstrahltechnologie im Vergleich zu alternativen Reinigungsmethoden?
Durch den plötzlichen Temperaturunterschied wird die zu entfernende Schicht (zum Beispiel Binderbelag in Kernkästen) stark abgekühlt und versprödet. Dadurch entstehen Risse in der Schicht, in die sich die Trockeneispartikel setzen und durch den Aufschlag zum gasförmigen Zustand sublimieren. Da sich dabei das Volumen des Kohlenstoffdioxids stark vergrössert, wird die zu entfernende Schicht abgelöst. Das bedeutet, dass das Trockeneis beim Phasenübergang den flüssigen Aggregatzustand überspringt. Nach dem Trockeneisstrahlen bleibt daher kein festes oder flüssiges Strahlgut übrig. Bei korrekter Anwendung wird die zu reinigende Oberfläche nicht beschädigt, es findet also keine Abrasion (Abtrag des Materials) statt. Dies ist der grosse Vorteil dieses Verfahrens und nebenbei bemerkt, müssen die zu reinigten Gegenstände auch nicht ausgebaut werden.
Welche Dienstleistungen bieten Sie als Ingenieur gegenüber Giessereien an?
In erster Linie ist es eine temporäre Mitarbeit direkt in der Giesserei um Probleme beispielsweise in der Schmelztechnik und Metallurgie, bei Form- und Kerntechnologieprozessen, bei kompletten Produktionsprozessen und dergleichen zu lösen. Einen Schwerpunkt bildet die Reduzierung des Ausschusses. Wir bieten Unterstützung bei der Erkennung, Deutung und Vermeidung von Ausschuss und Gefügedefekten an und setzen die Lösungen gemeinsam mit den Mitarbeitern der Giesserei direkt vor Ort um.
Nicht zuletzt bieten wir Trainings für die Mitarbeiter der Giesserei im Bereich Metallurgie, Form- und Kernherstellungstechnik, Prozesstechnik und Qualitätssicherung an.
Ausserdem steht unser www.giessereilexikon.com, eine Enzyklopädie an gebündeltem Fachwissen, jedem interessierten Leser kostenlos zur Verfügung.
Welche grossen Trends sehen Sie auf die Giessereibranche zukommen, welche Veränderungen wird es geben?
Hier möchte ich Ihnen nur Stichpunkte aufzeigen, welche uns in den nächsten Jahren beschäftigen werden: Digitalisierung - Virtual Reality – Umweltschutz und Einsparung von Rohstoffen – additive Fertigung – weitere Automatisierung.
Dipl.-Ing. Dr. mont. Stephan Hasse