Asco: Geben Sie uns bitte zunächst einen Einblick in «CO2 Energie AG» und ihr Angebot in den Bereichen Energie.
Lehmann: CO2 Energie AG ist ein Joint Venture zwischen den beiden Firmen «Regionalwerke AG Baden» (RWB) und der «Recycling Energie AG». Die Firma wurde im Jahre 2021 gegründet, mit dem Ziel, die CO₂ Verflüssigungsanlage am Standort der Biogasanlage von Nesselnbach zu realisiert.
Asco: Die von «CO2 Energie AG» installierte Biogas-Anlage in Nesselnbach/CH bezeichnen Sie selbst als «Pionierprojekt in Europa». Wie funktionieren Biogas-Anlagen generell?
Lehmann: In Nesselnbach betreibt die «Recycling Energie AG» eine Biogasanlage. D.h. Lebensmittelabfälle werden gesammelt und aufbereitet. Vor Ort werden diese dann vergärt; es entsteht Rohbiogas. Die Regionalwerke AG Baden (RWB) betreiben am Standort eine Biogas-Aufbereitungsanlage, welche das Rohbiogas verarbeitet. Das Endprodukt Biomethan kann anschliessend ins Gasnetz eingespeist werden.
Zusätzlich dazu hat die «CO2 Energie AG» eine CO₂ Verflüssigungsanlage realisiert, d.h. das bis jetzt in die Atmosphäre entwichene CO₂, welches beim Biogas-Aufbereitungsprozess abgeschieden wird, wird dort aufgefangen und verflüssigt für diverse Industrieanwendugen. In der Fachsprache wird dies als «Bioenergy Carbon Capture & Utilization (BECCU)» bezeichnet.
Asco: Worin besteht die Besonderheit dieser «Pionier-Anlage» in Nesselnbach? Können Sie den Verwertungsprozess beschreiben?
Lehmann: Das Rohbiogas welches sich aus 60 % Methan und 40 % CO2 zusammensetzt, wird aufbereitet und ins lokale Gasnetz eingespeist. Vor der Einspeisung wird das Rohgas durch Aktivkohlefilter vorgereinigt und danach auf ca. 16-17 bar komprimiert. Anschliessend gelangt das trockene, komprimierte Gas in eine Membrane, um es in CH4 (Methan) und CO₂ Moleküle aufzuspalten. Dieses Endprodukt muss mindestens 96 % aus Methangas bestehen. Das CO₂ wurde bis anhin in die Atmosphäre geleitet.
Mit dem neuen «Carbon Capture»-Prozess wird das CO₂ nun aufgefangen, aufbereitet, gereinigt, verflüssigt und danach in Tanks gelagert. Mit der neuen Anlage können rund 90 % des anfallenden CO₂ nutzbar gemacht werden. Das sind jährlich bis zu 3'000 t. Die Besonderheit ist, dass das flüssige CO₂ nach dem Prozess so rein ist, dass es «lebensmitteltauglich» ist. Unser Abnehmer für CO₂ ist die Firma «Messer Schweiz AG» in Lenzburg. Das CO₂ wird für verschiedene Anwendungsbereiche, vor allem in der Lebensmittelindustrie, eingesetzt. Dabei ist interessant, dass aus dem Anfangsstoff von Lebensmittelabfällen das Endprodukt CO₂ in Lebensmittelqualität entsteht.
Geschäftsführer Regionalwerke AG Baden
Philippe Lehmann
(©Recycling Energie AG)
Asco: Die Anlage ist ein Gemeinschaftsprojekt gemeinsam mit «Hitachi Zosen Inova» und «ASCO Kohlensäure AG» aus Romanshorn/CH. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Lehmann: Die CO₂ Energie AG hat die Anlage als Gesamtsystem bei Hitachi Zosen Inova bestellt. Die ASCO wurde von Hitachi Zosen Inova für die CO2 Verflüssigung auserwählt. Das Projekt Nesselnbach ist die erste Anlage seiner Art in der Schweiz und ein sehr gutes Musterbeispiel, wie CO₂ sinnvoll aufgefangen und wieder verwertet werden kann.
Asco: Die Notwendigkeit weltweit CO2-Emissionen zu reduzieren ist gross. Ist das Nesselnbach-Projekt gerade für die Energieindustrie ein «Muster-Case» oder sehen Sie weitere Ansätze?
Lehmann: Es gibt verschiedene vielversprechende Ansätze. Dabei ist vor allem «Carbon Capture & Storage (CCS)» sehr interessant ist. Es gibt verschiedene Anwendungen, wie sich das rückgewonnene CO2 dauerhaft «speichern» lässt, so zum Beispiel in Recyclingbeton oder auch in Langzeitspeichern wie leere Erdgas- bzw. Erdölfelder.
Asco: Sind weitere Biogas-Anlagen mit CO2-Rückgewinnung bei den Regionalwerke Baden geplant?
Lehmann: Ganz klar! Wir sind immer auf der Suche nach weiteren CO₂-Quellen, damit wir mehr Anlagen planen, bauen und betrieben können. Es ist für uns essenziell, das Know-How, welches wir in diesem Bereich aufgebaut haben, zu duplizieren.
Asco: Wie hat die Branche auf ihr Projekt reagiert? Wünschenswert im Sinne «unseres» CO2-Fussabdrucks wären zahlreiche Nachahmer.
Lehmann: Ich glaube, dass dieses Pilotprojet ein wichtiger Türöffner für weitere Projekte ist. Die gesamte Industrie, vor allem die Biogasindustrie sieht, dass es möglich ist, so eine Anlage zu realisieren und auch wirtschaftlich zu betrieben.
Die Branche hat in jedem Fall sehr interessiert reagiert. Wir erhalten viele Anfragen für Besichtigungen der Anlage. Wirklich entscheidend ist, dass so eine Anlage in der Schweiz steht und die Leute sich vor Ort über die Funktionsweise informieren können. Wir haben selbst erlebt, wie schwierig die Planung ist ohne eine existierende Anlage, durch die man von einen gewissen Wissenstransfer profitieren kann.
Asco: Falls es bei zukünftigen Biogas-Projekten keine CO2-Abnehmer geben sollte, ist «Carbon Capture & Storage» (CCS) ein Gedanke, den Sie bereits durchgespielt haben?
Lehmann: Der CCS-Gedanke, also «Carbon Capture & Storage», ist für uns sicher interessant. Mit dem gewonnenen Know-How wollen wir zukünftig mehr Anlagen betreiben. Wir haben auch andere Biogasaufbereitungsanlagen, wo das CO₂ immer noch in die Atmosphäre geleitet wird. Irgendwann wird der Verbrauch beziehungsweise die Abnahme von CO₂ in der Schweiz stagnieren. Dann muss man sich sicher Gedanken machen, wie man mit dem überschüssigen CO₂ umgehen wird. Daher sind wir hier auch definitiv verschiedene Szenarien am Prüfen.
Asco: Vielen Dank für das Interview, Herr Lehmann.
Über die Regionalwerke AG Baden
Die Regionalwerke AG Baden versorgt die Stadt Baden und die Region mit Energie und Wasser. Nebst der sicheren und zuverlässigen Energieversorgung bietet RWB ihren Kundinnen und Kundeninnerhalb sowie ausserhalb des Versorgungsgebietes ein vielseitiges Dienstleistungsangebot im Bereich Energie-Lösungen an. RWB steht ihren Kundinnen und Kunden persönlich und mit voller Energie zur Seite.
Über die Recycling Energie AG
Die Recycling Energie AG betreibt in der Schweiz die grösste Anlage zur Herstellung von Rohgas aus Speiseresten und Lebensmittelabfällen. Sie produziert rund 1 800 m3 Biogas pro Stunde. Davon wird zwei Drittel in Ökostrom umgewandelt. Dieser versorgt rund 5 000 Haushalte. Der andere Drittel wird von RWB aufbereitet und als Biogas in deren Erdgasnetz eingespeist. Mit diesem Gas können rund 2 500 Haushalte beheizt werden. Zusätzlich werden in der Recycling Energie AG jedes Jahr zirka drei Millionen Liter Biotreibstoff hergestellt.
(©Recycling Energie AG)